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Ist die Pandemie vorbei, Frau Müller-Rech?

Ist die Pandemie vorbei, Frau Müller-Rech?
Franziska Müller-Rech im Interview: »Die Kommunikation ist in den ganzen zwei Jahren der Pandemie nicht immer optimal gelaufen. Das muss man einfach klipp und klar sagen.«
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Person und Ziele

Können Sie sich kurz vorstellen?

Müller-Rech: Ja, gerne. Ich bin Franziska Müller-Rech, 36 Jahre alt, Landtagsabgeordnete für die Freien Demokraten seit 2017, und ich bin Bonnerin. Ich wohne im Musikerviertel in Bonn, bin dort aufgewachsen, zur Schule gegangen und im Landtag zuständig für Bonn-Mitte, den Bonner Norden und für Beuel.

Wieso sind Sie Schulpolitiker geworden?

Müller-Rech: Ursprünglich war das eher Zufall. Ich habe mich schon länger ehrenamtlich in der FDP engagiert und mich dafür gemeldet, in der Stadtratsfraktion mitzuarbeiten. Dann wurde ausgerechnet im Schulausschuss auf einmal eine Position frei und ich bin gefragt worden, ob ich dort die FDP vertreten möchte. Mir wurde damals gesagt: „Du bist dann im Schulausschuss die Einzige, die keine Schülerin mehr, Elternteil oder selber Lehrerin ist. Aber arbeite dich doch ein und dann kannst du es machen.“ Ich war dann lange schulpolitische Sprecherin der FDP-Stadtratsfraktion in Bonn und habe dort sozusagen die Liebe zur Schulpolitik gefunden. Und jetzt darf ich das hauptberuflich machen.

Wie haben Sie Ihren Beruf in den letzten zwei Jahren erlebt?

Müller-Rech: Das war schon eine echt harte Zeit – ich glaube für uns alle. Die Schulpolitik bestand zu oft aus „Schule auf oder Schule zu“. Das war eine absolut verkürzte Debatte und hat es echt schwierig gemacht. Wir haben um ganz basale Dinge gekämpft, so viel Präsenzunterricht wie möglich und gerechte Bildungschancen zu sichern. Zum Beispiel gab es viele Schülerinnen und Schüler, die zu Hause kein Endgerät und keinen Rückzugsraum hatten und zu Hause nicht genug Unterstützung bekommen. Diese Schülerinnen und Schüler sollten trotzdem auch gut lernen können und nicht zurückfallen durch die Pandemie. Wir hätten es vorher nicht für möglich gehalten, dass wir über solche Fragen so viel politisch streiten. Das war echt eine schwierige Zeit. Wir haben versucht, immer das Beste herauszuholen und ich freue mich wirklich darauf, dass wir jetzt hoffentlich langsam in eine Zeit kommen, wo wir uns wieder mit anderen, wichtigen schulpolitischen Themen befassen können.

Was möchten Sie in der Politik erreichen?

Müller-Rech: Ich möchte erreichen, dass jedes Kind, jeder Schüler, jede Schülerin gerechte Bildungschancen erhält. Dass es überhaupt nicht darauf ankommt, in welchem Stadtteil man aufwächst, welchen Nachnamen oder welche Postleitzahl man hat. Ich möchte, dass wir jeder und jedem alle Bildungschancen eröffnen, um ihre und seine eigenen Talente zu entfalten. Ich sage immer gerne: Es muss nicht jeder Raketenwissenschaftler werden, sondern jeder hat ganz unterschiedliche Talente. Schule muss es schaffen, diese Talente zu entdecken und dann so zu fördern, dass jeder nach der Schule in ein glückliches, selbstbestimmtes Leben starten kann.

Aber zu Bildungsgerechtigkeit gehört noch so viel mehr. Wir wollen zum Beispiel auch die Chancen der Digitalisierung besser nutzen, damit Schulen moderne Lernorte sind. Dafür müssen wir auch die Lehrkräfte gut fortbilden. Im Ergebnis sollen Schulen Räume sein, in denen man sich wohlfühlt, wo man gerne hingeht und sich jeder frei entfalten kann. Das ist eines meiner Hauptziele.

Haben Sie konkrete Projekte, die Sie in einer zweiten Legislaturperiode umsetzten möchten?

Müller-Rech: Ja, sogar ganz viele. Ich möchte, dass wir noch mehr Talentschulen schaffen. Das sind Schulen in Stadtteilen mit besonders großen sozialen Herausforderungen, die mehr Stellen und mehr Sachausstattung erhalten. Wir haben mit 60 Schulen angefangen, das sind mir noch zu wenige. Ich möchte, dass es 1.000 werden. Ich will auch, dass jede Schule einen Talentscout bekommt, um die unterschiedlichen Talente aufzudecken. Ich möchte aber auch die mittleren Bildungsabschlüsse stärken: Das Abitur darf in unseren Köpfen nicht der einzige und sichere Weg zum Glück sein. Wir müssen auch jungen Leute mit einem mittleren Schulabschluss gute Bildungschancen eröffnen. Zum Beispiel haben wir jetzt schon den Polizeidienst für Realschülerinnen und Realschüler geöffnet. Es gibt es noch viele andere Stellen, wo wir die Karriereoptionen für Menschen mit mittlerem Schulabschluss verbessern können, zum Beispiel im Handwerk, wo wir dringend Leute suchen, oder auch in den technischen Berufen. Ich glaube, da liegt noch unheimlich viel Potenzial. Wir dürfen nicht immer allen einbläuen, ihr müsst unbedingt Abitur machen, sonst habt ihr keine Chance im Leben. Ich glaube, das ist eine völlig falsche Botschaft.

Landtagswahl

Die schwarz-gelbe Koalition hat nur eine Stimme Mehrheit im Landtag. Glauben Sie an eine Fortsetzung der Regierung aus FDP und CDU?

Müller-Rech: Ich hoffe es sehr, weil wir wirklich gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Wir haben viel auf den Weg gebracht und in der Koalition klappt es auch menschlich sehr gut. Wir haben nicht eine einzige Abstimmung verloren. In unseren internen Diskussionen geht es zwar auch schon mal heiß her, aber wir sind nach außen immer geschlossen aufgetreten. Genau so sollten Koalitionen funktionieren. Wir sind nicht verschmolzen, wir sind immer noch eigenständige Parteien und im Wahlkampf kämpfen wir natürlich nur für uns, das ist klar. Natürlich sind wir als FDP auch in der Lage, mit anderen Parteien zu koalieren. Aber in dem vertrauensvollen Stil würden wir schon gerne weitermachen.

Würden Sie in einer Ampelkoalition wie im Bund regieren?

Müller-Rech: Für den Fall, dass ein Zweierbündnis nicht mehr möglich ist, haben wir in Berlin gezeigt, dass wir als FDP auch anschlussfähig sind. Wir vertreten Positionen, die auch mögliche Partner begeistern können und dort Zustimmung finden. Deswegen würde ich auch eine Ampel nicht ausschließen. Aber es wird vor allem darauf ankommen, auf welche Themen wir uns verständigen können. Eine Ampel würde in der Schulpolitik echt schwierig. Wenn ich in die Wahlprogramme von SPD und Grünen gucke, da fehlt mir noch heute die Fantasie, wie das klappen könnte, aber wer weiß … Ich werde bei den Podiumsdiskussionen gut zuhören, was die Kolleginnen und Kollegen sagen. So oder so kämpfen wir auf jeden Fall für starke Freie Demokraten, ohne die eine Regierungsbildung nicht möglich ist – und dann gucken wir, mit wem wir die meisten liberalen Inhalte umsetzen können.

Sie sagen es, Schulen werden im Wahlkampf wichtig. Im „NRW-Check“ aus dem Februar gibt es katastrophale Ergebnisse für die Landesregierung: 73 Prozent der Befragten sind unzufrieden mit der Schulpolitik, sogar über 70 Prozent der FDP-Anhänger. Zu Unrecht?

Müller-Rech: Zu Unrecht. Ich glaube, dass das vor allem an den zwei Jahren Pandemie liegt, die für uns alle eine absolute Strapaze waren. So geht es vermutlich besonders euch als Schülerinnen und Schüler, ihr wart eigentlich die ganze Zeit im Epizentrum, aber so geht es zum Beispiel auch vielen Eltern. Da sagen die einen, sie hätten sich gewünscht, dass die Schulen noch länger offengeblieben wären, dass wir die Maskenpflicht früher aufgehoben und mit den Tests früher aufgehört hätten. Es gibt dann aber auch die andere Gruppe, die unzufrieden ist, weil sie der Meinung ist, wir hätten die Schulen früher schließen sollen und die Maskenpflicht noch bis zum Sommer beibehalten bleiben soll. Da gibt es in der öffentlichen Meinung unterschiedliche Strömungen und da kann man es nicht jedem recht machen. Aber ich bin überzeugt, dass wir mit dem Mittelweg im Ergebnis sehr gut unterwegs waren. Und was noch wichtiger ist: Wir haben in den zweieinhalb Jahren vor der Pandemie so viel Gutes erreicht in der Schulpolitik. Die Talentschulen, die Einführung des Schulfachs Wirtschaft. Wir haben die Gymnasien völlig geräuschlos zurück zu G9 geführt, wir haben die Inklusion neu aufgestellt, es sind heute 13.300 Menschen mehr im Schuldienst als 2017 und vieles mehr. Wir haben wirklich viele, viele richtig gute Dinge umgesetzt und wir lassen uns von zwei Jahren Pandemie nicht die Erfolge unserer Schulpolitik madig reden. Ich bin mir sicher, dass wir noch viele dieser 73 Prozent überzeugen können.

»Wenn ich in die Wahlprogramme von SPD und Grünen gucke, da fehlt mir noch heute die Fantasie, wie das klappen könnte«

Die Pandemie

Am 2. April soll die Maskenpflicht an Schulen enden. Kritiker sagen, damit fällt das effektivste Mittel, um Infektionen zu verhindern. Ist es sinnvoll, diese Maßnahme dann bei den höchsten Infektionen aller Zeiten aufzuheben?

Müller-Rech: Wir haben in den vergangenen zwei Jahren einen unterschiedlichen Verlauf in der Pandemie gesehen. Wir hatten Zeiten von Delta, wo wir über ganz andere Inzidenzen als heute gesprochen haben. Da haben wir Maßnahmen zum Beispiel an eine 50er-Inzidenz geknüpft, da ist heute nicht mehr dran zu denken. Heute haben wir die Omikron-Variante, die sich eher in eine endemische Richtung entwickelt. Da ist es richtig, nicht allein auf die Neuinfektionen zu gucken, sondern Maßnahmen auf die Krankenhausauslastung auszurichten. Im Moment droht den Intensivstationen keine Überlastung und auch die Belegungszahlen in den Normalstationen gehen zurück. Das sind für uns die Kennzahlen, auf die wir verstärkt achten, weil alle Maßnahmen dem Zweck dienen, unsere Krankenhäuser nicht zu überlasten. Das ist unsere Hauptprämisse und deswegen halte ich es jetzt für einen verantwortbaren Schritt, die Maskenpflicht aufzuheben.

Mir ist es wichtig, dass wir das abgestuft machen und zunächst noch die Tests beibehalten. Wir heben in den Schulen eine Woche vor den Osterferien die Maskenpflicht auf, aber testen noch weiter für die eine Woche. Das ist auch noch mal eine Vorsichtsmaßnahme. Und dann, nach den Osterferien, enden auch die Tests an den Schulen. Gleichzeitig beobachten wir die Lage weiter. Wir erklären jetzt nicht die Pandemie für beendet, sondern haben stets noch die Möglichkeit, auf eine veränderte Lage zu reagieren. Sollte es wirklich zu einer dramatischen Entwicklung kommen, zum Beispiel durch eine neue Variante oder dass die Krankenhausauslastung ansteigt, können wir immer noch reagieren. Wir setzen jetzt die Regelung des Infektionsschutzgesetzes des Bundes um und nutzen den darin enthaltenen Korridor. Wir hätten zum Beispiel die Maskenpflicht schon am 21. März aufheben können. Wir haben uns aber dazu entschieden, noch etwas zu warten – das finde ich sehr verantwortungsvoll.

Österreich hatte Anfang März ebenfalls die Abschaffung der Maskenpflicht beschlossen und musste wegen hoher Infektionszahlen keine zwei Wochen später zurückrudern und sie wieder einführen. Wird das auch bei uns passieren?

Müller-Rech: Das kann keiner so genau sagen. Wir haben alle keine Glaskugel. Wir werden weiter die Auslastung der Krankenhäuser überwachen und hoffen, dass nicht noch eine neue Variante um die Ecke kommt. Klar kann es noch mal schnell zu einem Wechsel kommen. Aber wir hoffen, dass es eher in Richtung einer endemischen Entwicklung geht. Wir sind auf alles eingestellt und können reagieren.

Ist die Pandemie am 20. März zu Ende gegangen?

Müller-Rech: Nein, das sagt auch niemand. Die einzige Partei, die das sagt, ist die AfD, das kann man nicht ernst nehmen. Wir passen auf, gucken links und rechts und haben auch Instrumente in der Hand, um zu reagieren, falls es eng wird.

Die Kampagne #WirWerdenLaut und verschiedene schulübergreifende Schülervertretungen haben gegen die „Durchseuchung“ protestiert. Die Schülerinitiative nannte die Lockerung „verfehlt“, kritisierte die FDP und forderte im Bund SPD, Grüne und Union auf, gemeinsam Änderungen am Gesetz vorzunehmen. Können Sie diese Position verstehen?

Müller-Rech: Ich finde es grundsätzlich gut, dass auch Schüler „laut machen“, im wahrsten Sinne des Wortes sich politisch engagieren und versuchen, sich Gehör zu verschaffen. Sie haben sich zum Beispiel mit unserer Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger getroffen und ihre Forderungen erläutert. Es sind ein paar Forderungen in der Petition drin, wo ich sage: Da könnten wir noch mal drüber sprechen. Das geht dann in Richtung der Überwachung des Pandemieverlaufs und wie wir festlegen können, welche Schutzmaßnahmen an Schulen noch wichtig sind oder nicht. Bei Luftfiltern habe ich eine andere Auffassung als die Petition, aber grundsätzlich ist es wichtig, dass man im Gespräch bleibt. Ansonsten halte ich die Lockerungen jetzt für den richtigen Schritt und auch für verantwortbar, damit wir wieder mehr Normalität an den Schulen bekommen, uns aber weiterhin Handlungsmöglichkeiten für den Fall der Fälle vorbehalten können.

Noch vor kurzem war eine mögliche Impfpflicht ein großes Thema. Wird es sie geben?

Müller-Rech: Ich glaube ehrlicherweise nicht daran, dass es sie noch geben wird. Ich glaube, wir sind einfach viel zu spät dran gewesen mit der Diskussion, weil wir alle davon ausgegangen sind, dass sich mehr Leute freiwillig impfen lassen. Über eine Impfpflicht müssen ja die Kollegen im Deutschen Bundestag abstimmen und nicht wir im Landtag. Aber ich hätte den Vorschlag von Andrew Ullmann unterstützt, der zunächst auf eine Beratungspflicht setzt. Ich möchte, dass die Leute erst einmal mit dem Thema Impfung konfrontiert werden, sich ärztlich beraten lassen müssen und nicht einfach nur Informationen aus dem Internet oder von Telegram kriegen. Mit einem Experten darüber zu sprechen, würde auch viel Erfolg zeigen. Wir haben gesehen, dass bei den Beratungsstellen, wo Leute freiwillig hingekommen sind und sich haben beraten lassen, sich dann 80 Prozent der Menschen nach einem Beratungsgespräch haben impfen lassen. Deswegen würde ich erst mal diesen Schritt gehen und dann allerhöchstens über eine Impfpflicht ab 50 nachdenken, also für die Risikogruppen. Aber erst mal das verpflichtende Beratungsgespräch.

Rückblick


»Die Kommunikation ist in den ganzen zwei Jahren der Pandemie nicht immer optimal gelaufen. Das muss man einfach klipp und klar sagen.«


Sie sprechen die Luftfilter an, diese waren in der Pandemie ja ein großer Kritikpunkt…

Müller-Rech: Ja, das ist eine etwas leidige Debatte, weil alle die Hoffnung hatten, dass die Luftbringer die Heilsbringer sein könnten, also dass man einfach für jeden Klassenraum Luftfilter besorgt, wir stellen das Gerät rein, schalten es ein und die Pandemie ist weg. Ich hätte mir total gewünscht, dass es so wäre, weil das wirklich eine schöne, einfache Lösung gewesen wäre. Aber diese mobilen Geräte sind umstritten. Das Umweltbundesamt, das dem Umweltministerium untersteht – da sitzt auch kein FDP-Mann oder eine FDP-Frau an der Spitze, sagt auch, dass diese mobilen Luftfilter nur eine Ergänzung zum Lüften sein können. Man muss die Geräte auch richtig im Raum aufstellen, sich die Frage nach der Lautstärke stellen, beeinträchtigt das den Unterrichtsbetrieb? Eine nachweislich funktionierende Lösung wären fest verbaute Raumluft-Technik-Anlagen. Dafür muss man aber Wände aufstemmen und Schulen umbauen. Ich setze mich dafür ein, dass wir diese Anlagen bei Neubauten oder Sanierungen berücksichtigen. Sie nützen nicht nur für eventuell kommende Pandemien – ich hoffe, wir haben diese bald erst mal hinter uns, sondern sie nützen auch in der Grippesaison und für Allergiker.

Und die mobilen Geräte sind auch sehr teuer. Zuständig ist übrigens gar nicht das Land, sondern die Schulträger. Bei euch, bei einer Schule in freier Trägerschaft, müsste dann der Schulträger diese Geräte bezahlen und anschaffen, bei den öffentlichen Schulen in Bonn die Stadt. Und auch die Stadt Bonn mit einer grünen Oberbürgermeisterin hat betont, die Wirksamkeit sei nicht nachgewiesen …

…die Stadt hat aber damit begonnen, insgesamt 165 Luftfilteranlagen einzubauen

Müller-Rech: Ja, die sind für die Räume, die schlecht oder gar nicht belüftet werden können. Das haben wir übrigens auch mit einem Landesprogramm gefördert. Aber es gibt eben keine Empfehlung für Räume, die normal lüftbar sind und deswegen gibt es auch kein Landesprogramm für jeden Klassenraum. Aber ich finde es gut, dass die Stadt Bonn die Landesmittel abgerufen hat.

Schulmails zu Coronaregeln kamen oft kurzfristig. Die Opposition kritisiert, wichtige Informationen für den Montag kämen um 23 Uhr am Sonntag. Hat das Schulministerium ein Problem mit seiner Kommunikation?

Müller-Rech: Die Kommunikation ist in den ganzen zwei Jahren der Pandemie nicht immer optimal gelaufen. Das muss man einfach klipp und klar sagen. Aber was total interessant ist, ist der hartnäckige Vorwurf, Schulmails kämen ständig am Freitag oder am Sonntag. Es waren insgesamt vier Schulmails, die entweder am Freitag oder am Wochenende gekommen sind – und wir haben in der ganzen Pandemie über 90 Schulmails versendet. Vier von neunzig – und da ist schon die eine von letzter Woche mit dabei, die an einem Freitagmittag kam. Also ich glaube, da ist auch viel überspitzt worden. Das Problem war, dass wir oft kurzfristig reagieren mussten, unter anderem auf Ministerpräsidentenkonferenzen (MPK, Anm. d. Red.), die oft mittwochs stattgefunden haben. Mittwochs haben sie was beschlossen, donnerstags musste dann das Kabinett beschließen und dann kam die finale Entscheidung für die Schulen erst am Freitag. Unsere Schulministerin hat immer darauf gepocht, den Schulen mehr Vorbereitungszeit zu geben. Leider hat der inzwischen ausgeschiedene Ministerpräsident Armin Laschet in einigen Fällen entschieden, dass die Änderungen schon ab Montag gelten. Das ist insofern schade für uns, weil das, was die MPK so kurzfristig entschieden hat, dann der Schulministerin angelastet wurde. Mir ist eines noch wichtig: Die Entscheidungen waren grundsätzlich richtig. Die Kommunikation hätte aber wie gesagt an der einen oder anderen Stelle auch besser laufen können, das sage ich auch ehrlich.

»Das ist insofern schade für uns, weil das, was die MPK so kurzfristig entschieden hat, dann der Schulministerin angelastet wurde.«

Sie sprechen einen guten Punkt an: Glauben Sie, man hätte die Pandemie besser bewältigen können, wenn Schule eine Bundesangelegenheit wäre, weil ja immer ein „Flickenteppich“ an Regelungen kritisiert wurde?

Müller-Rech: Glaube ich nicht. Ich glaube fest an den Föderalismus. Ich glaube fest daran, dass es besser ist, viele Entscheidungen vor Ort zu treffen. Wir wollen ja auch als Land mehr Entscheidungsfreiheit in die Schulen geben. Wir hätten ansonsten mehr Regelungen gesehen, die gar nicht auf die Besonderheiten der Länder eingegangen wären. Die Zahl der Neuinfektionen hat sich in den letzten zwei Jahren immer wieder gewandelt, auch abhängig davon, wie die Schulferien lagen. Wir hatten zum Beispiel zeitweise eine niedrige Inzidenz in Nordrhein-Westfalen, in Bayern aber eine höhere – dann wären hier einheitliche Regeln zu streng gewesen. Oder wir haben ja auch in anderen Bundesländern das Problem gehabt, gerade in Thüringen und Sachsen, dass dort aus anderen Gründen die Infektionszahlen zeitweise sehr viel höher waren, weil sie dort Probleme mit vielen Querdenkern hatten. Da fand ich es schon richtig, dass wir die Möglichkeit hatten, immer mit Augenmaß länderspezifische Regeln zu treffen. Flickenteppich ist dann die Kritik, auch wenn wir immer versucht haben, ihn zu vermeiden. Es ist immer schwierig, die Quadratur des Kreises hinzukriegen, auf individuelle Situation zu reagieren, aber gleichzeitig die Regeln verständlich zu halten. Das hat nicht immer funktioniert, muss ich zugeben. Aber ich sehe, dass wir trotzdem die richtigen Entscheidungen getroffen haben.

Hat die Politik zu viel über Schülerinnen und Schüler gesprochen und zu wenig mit ihnen?

Müller-Rech: Ich bemühe mich immer viel mit Schülern zu sprechen. Ich meine, ihr seid das beste Beispiel – dass ihr hier seid und wir ins Gespräch kommen. Ihr seid auch nicht die Ersten und ich bin auch selber viel in Schulen unterwegs. In der Pandemie war das natürlich etwas schwieriger, aber ich habe davor so um die 75 Schulen besucht. Dabei habe ich oft mit Klassen oder der Schülervertretung vor Ort diskutiert, weil es mir wichtig ist, dass wir nicht über Schülerinnen und Schüler hinweg entscheiden und sie auch anhören. Ich möchte euch aber noch einen kleinen Appell mitgeben: Es sind total viele Schülerinnen und Schüler politisiert, das ist gut. Aber bitte engagiert euch nicht nur in der Schülervertretung vor Ort, sondern auch in den Bezirksschülervertretungen und der Landesschülervertretung, damit sich dort auch ein Meinungsspektrum abbildet. Ich weiß, dass die Gremien momentan kritisiert werden, das habe ich auch bei euch gelesen. Das könnt ihr Schüler aber von selber steuern, indem ihr für eine Meinungspluralität in diesen Gremien sorgt. Das wäre mein Wunsch an euch, weil das auch die Vertretung von Schülerinnen und Schülern insgesamt stärkt.


»Bitte engagiert euch nicht nur in der Schülervertretung vor Ort, sondern auch in den Bezirksschülervertretungen und der Landesschülervertretung, damit sich dort auch ein Meinungsspektrum abbildet.«


Es wird gesagt, dass in der Pandemie große Lernlücken entstanden sind. Wie soll das aufgeholt werden? Und hat die Politik überhaupt einen Überblick, wo es die Lücken gibt?

Müller-Rech: Das ist höchst unterschiedlich und sehr individuell – da liegt auch das Problem. Wir haben ein großes Programm aufgelegt, „Ankommen und Aufholen nach Corona“, mit über 430 Millionen Euro insgesamt. Darin geht es auch nicht nur um Lernhilfen, sondern auch zum Beispiel um soziale Lücken. Es ist ja zum Beispiel viel Einsamkeit entstanden. Vielleicht ist es dann auch noch mal schwieriger geworden, nach einer Zeit des Lockdowns wieder als Klasse zusammenzukommen. Dann, das betrifft auch viele Menschen, gab es auch Sport- oder Bewegungslücken. Wir fördern mit dem Landesprogramm auch Sportprogramme, damit man wieder gut und gesund in Bewegung kommt. „Ankommen und Aufholen“ haben wir gut gestaltet, es geht sehr individuell auf die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler ein. Es war mir auch wichtig, dass es nicht nur um Mathe geht, sondern auch um die sozialen Lücken.

Zukunft

Corona hat der Digitalisierung an Schulen einen starken Schub nach vorne gegeben. Wie glauben Sie, wird der Unterricht der Zukunft aussehen?

Müller-Rech: Das ist eine gute Frage. Ich hoffe, dass er sehr modern und partizipativ aussieht. Als ich zur Schule gegangen bin, gab es noch viel Frontalunterricht, auch weil wir keine Beamer oder sowas hatten. Wir hatten noch Overheadprojektoren…

…die haben viele Schulen immer noch

Müller-Rech: …mein Wunsch ist es, dass die auch bald aus den Schulen verschwinden, dass es anschaulicheren Unterricht gibt, der partizipativer ist. Dass Gruppenarbeit nicht mehr dieses „setzt euch mal zusammen an einen Tisch und macht mal“ ist, sondern vielleicht auch über einen längeren Zeitraum gestreckt und mit den Hausaufgaben kombiniert, indem man auch online zusammenarbeiten kann. Das sind die Skills, die man später im Berufsleben auch braucht. Es gibt auch ganz große Chancen im Bereich der Lernsoftware, damit Lehrkräfte besser individuell fördern können. Wir versuchen von Landesseite dabei kräftig zu unterstützen, wir investieren insgesamt zwei Milliarden Euro bis 2025 in die Digitalisierung. Wir möchten, dass jeder Schüler ein digitales Endgerät bekommt. Digitalisierung ist kein alleiniges Pandemiethema, sondern die Pandemie hat einen Schub verschafft – und diesen Schub müssen wir jetzt nutzen. Es gibt ein paar Leute, die sagen, die Pandemie ist bald vorbei, dann könnt ihr die Geräte alle wieder einsammeln. Das wäre ein Riesenfehler.

Das Interview wurde von Dan Ioffe und Lars Mussehl im Landtag geführt. Wir bedanken uns bei Frau Müller-Rech für das Gespräch!

Dan Ioffe

ist Chefredakteur der Schülerzeitung.

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